11.01.2022
Ripke: 2022 muss Entscheidungsjahr für Umbau der Nutztierhaltung werden
„2022 ist das Entscheidungsjahr für die Nutztierhaltung hierzulande, um mehr Tierwohl unter verlässlichen Rahmenbedingungen zu erreichen. Jeder Monat, der ohne Lösung ins Land geht, wird von Höfesterben begleitet sein“, sagt Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V. (ZDG).
Ripke verweist auf die prekäre Lage vieler Halter in der Geflügelwirtschaft. Sie erzielen schon länger keine kostendeckenden Preise mehr. Ställe stehen zunehmend leer, weil sich Tierhaltung immer weniger lohnt. Verstärkt drängt Billigfleisch aus dem Ausland auf den Markt – mit zumeist deutlich geringeren Standards bei Tierwohl und Klimaschutz. Die aktuelle Landwirtschaftszählung sei ein Alarmsignal, wonach lediglich 41 Prozent der Betriebsinhaber ab 55 Jahre einen Hofnachfolger haben, warnt Ripke.
Die verpflichtende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung, die im Koalitionsvertrag aufgenommen ist, sei der richtige Zukunftsplan, so Ripke. Dafür habe bereits der Kompetenzkreis Nationale Nutztierstrategie (die sogenannte Borchert-Kommission) zum Umbau der Nutztierhaltung ein detailliertes Konzept erarbeitet. Konkrete Empfehlungen zu Haltungskriterien und ihre Fortentwicklung bis 2040 liegen auf dem Tisch. Sie können und müssen endlich politisch genutzt werden: „Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern eine zunehmend chronische Schwäche der Politik beim Umsetzen!“ Die Kennzeichnung müsse unbedingt auch die Bereiche Gastronomie und Großhandel einbeziehen, die mehr als die Hälfte des Marktes ausmachen. Das bereits etablierte Haltungsform-Label der Initiative Tierwohl könne für ein staatliches Label Vorbild sein. Ripke: „Es wäre töricht, ein eingeführtes Siegel nicht zu nutzen, das über 60 % der Verbraucher laut Umfragen besser kennen als die EU-Bio-Kennzeichnung.“
Der ZDG-Präsident dringt zugleich darauf, parallel zur Kennzeichnung die notwendige Finanzierung tierwohlgerechter Ställe anzupacken. Er begrüßt den Vorstoß von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gegen Billiglebensmittel, die Bauernhöfe in den Ruin treiben und mehr Tierwohl verhindern. „Wer die Praxis von Ramschpreisen für Fleisch abstellen will, muss den Pflock ganz vorne einschlagen und für die Betriebe ein finanzielles System etablieren, das Investitionen und hohe laufende Kosten ausgleicht“, sagt Ripke. Auch hier habe die Borchert-Kommission nach intensiver Befassung als realistischen Weg bereits einen Vorschlag erarbeitet: eine staatlich gesicherte Finanzierung über Abgaben und/oder Steuern. Der Plan der Ampel-Koalition, die Lasten allein den Marktteilnehmer aufzuerlegen – und damit vor allem Verbrauchern und Handelsunternehmen –, sei ein Irrweg, unterstreicht Ripke: „Politik, Handel und Nutztierhalter müssen in ehrlicher Partnerschaft jetzt sofort und gemeinsam an der Umsetzung arbeiten. Die Zeit von vordergründigem Geplänkel ist vorbei. Wir dürfen nicht in die Vergangenheit zurückfallen, sondern brauchen jetzt klare Zukunftsentscheidungen!“